Ort: Bushaltestellen Bamberg Rodelbahn und Ludwigstraße BhfVon August bis Ende Dezember 2020 machen wir Künstler "Sichtbar auch aus der Distanz". Die Plakataktion auf zwei Wänden - am Bhf Bamberg und an der Bushaltestelle Rodelbahn an der Buger Spitze - gibt einen Blick auf die als Preisträgerinnen und Preisträger eingeladenen 13 Bildenden Künstler, Komponisten und Autoren frei, die im Künstlerhaus zu Gast sind. Begleitet vom Grafikbüro 2xGoldstein aus Karlsruhe wurden die Ideen der 13 umgesetzt und gestaltet. Die Wände werden alle 10 Tage "ihr Gesicht" verändern. Manche Entwürfe korrespondieren miteinander, funktionieren wie Rätsel, manche sind identisch. Hoffentlich lädt jede Gestaltung immer wieder zum Hinschauen ein.
Katharina Adler im Gespräch
1. Es sind erst wenige Wochen seit Ihrer Ankunft im Künstlerhaus vergangen, Frau Adler. Wie ging es Ihnen die ersten paar Wochen in Bamberg?
Ich habe mich sofort wohl gefühlt und gut eingelebt. Schneller als mir das sonst gelingt. Die Villa Concordia und ihre Umgebung ist einfach auch so einzigartig. Es kommt mir ein bisschen so vor wie in einem Märchen. Aber gerade in den letzten Tagen hat die Realität schon hart eingeschlagen. Es tut mir so leid, wie viele Veranstaltungen in der Villa Concordia für den November abgesagt werden müssen. Und es ist schade, dass ich nur bedingt jetzt weiter die Stadt werde erkunden können. Beim Schreiben wünsche ich mir zwar schon immer Ruhe, aber nicht die eines Lockdowns, auch wenn er hoffentlich das Infektionsgeschehen eindämmt. Und danach habe ich ja bestimmt auch noch ein bisschen Zeit.
2. Das Stipendium im Künstlerhaus ist kein Arbeitsstipendium, sondern die Auszeichnung des Bayerischen Staates für Ihr Gesamtwerk. Ist für Sie dieser Aufenthalt ein Anlass, die Arbeit an neuen Projekten anzufangen oder die bestehenden Projekte fortzuführen?
Es ist toll, eine solche Ehrung relativ früh zu bekommen, auch wenn ich hoffe, dass mein Werk noch wesentlich umfangreicher sein wird. Daran arbeite ich gerade. An meinem zweiten Roman und an einem Film-Exposé. Ich habe mir schon was vorgenommen, diese schöne Chance im Künstlerhaus zu nutzen, um weiter zu schreiben.
3. Sie schreiben Essays, Theaterstücke, Romane und Drehbücher. 2010 wurde ihr erstes Drehbuch als Kurzfilm "Sunny und Roswitha" verfilmt. Gibt es vielleicht Pläne für die weiteren filmischen Arbeiten? Wissen Sie schon, dass Bamberg ein jährliches Kurzfilmfestival Ende Januar veranstaltet?
Nicht nur Filmpläne. So die Situation es zulässt, beginnen Ende November die Dreharbeiten für einen Tatort, den ich gemeinsam mit dem Regisseur Rudi Gaul geschrieben habe. Und danke für den Festival-Tipp. Das wusste ich noch nicht. Ist aber jetzt im Kalender notiert.
4. Welche Intention stand hinter Ihrem Roman „Ida“, der vom „Fall Dora“ in der Freudschen Praxis bzw. von Ihrer Urgroßmutter Ida Bauer handelt? Letztendlich hat Freud gewissermaßen einen Skandal aus dieser Geschichte gemacht. Ist der Roman ein Versuch, diese Geschichte zu rekapitulieren und sie aus einer anderen Perspektive, die Ihrer Urgroßmutter, zu erzählen?
Die Episode meiner Urgroßmutter bei Sigmund Freud haben schon so viele rekapituliert über ein ganzes Jahrhundert. Allerdings geht es bei diesen Rekapitulationen stets letztlich um Sigmund Freud und seine Ideen. Das ist nachvollziehbar. Aber mir war es umso wichtiger komplett die Perspektive meiner Urgroßmutter zu erzählen, nicht nur ihre Perspektive, sondern ihre Lebensgeschichte weit über ihre kurze Zeit bei Freud hinaus. Freud mag zentral für meinen Roman sein, das Zentrum ist er nicht. Das ist Ida und ihre Geschichte, in Wien, aber auch ihre jahrelange Verfolgung und Flucht, bis sie in die USA gelangt ist. Ihr ganzes Leben wollte ich erzählen, nicht nur die paar Wochen, die berühmt geworden sind, durch einen Bericht, den sie nie autorisiert hat.
5. Im Roman tendieren Sie zu einem dokumentarischen Thema und der Vergangenheit. Im Essayband „Acht Visionen. Zukunft. Arbeit. Literatur“, das 2019 vom Literaturhaus Frankfurt und dem Museum für Kommunikation Frankfurt veröffentlicht wurde, erschien ein Text von Ihnen über die Zukunft. Was meinen Sie, wie wird die Arbeit von SchriftstellerInnen in der Zukunft beurteilt werden und sich ggf. verändern?
Wie die Arbeit von Schriftsteller:innen beurteilt werden wird, das liegt nicht an mir zu sagen. Urteilen müssen die anderen. Die Kernarbeit, das Schreiben, denke ich, wird sich auch nicht groß verändern. Es stehen gerade nur immer mehr Plattformen zur Verfügung, um zu veröffentlichen. Das ist einerseits großartig und begrüßenswert. Andererseits stellen sich da natürlich auch wieder Fragen der Vergütung und inwiefern der Druck wächst, mit dem eigenen Schreiben immer präsent bleiben zu müssen in einer immer schnelllebigeren Aufmerksamkeitsökonomie.Was ich im Augenblick auch als Tendenz unter Schriftsteller:innen wahrnehme, ist, sich wieder mit der Macht von Sprache auch in ihrer politischen Dimension auseinanderzusetzen. Das empfinde ich gerade als sehr zukunftsweisend.
6. Ihre Plakatwände sind bereits seit dem 30. Oktober sichtbar an den Bushaltestellen Rodelbahn und Bahnhof. Das sind komplexe Bilder, eine Synthese von Bildmaterial, Text und Grafik. Wie hat sich für Sie die Zusammenarbeit mit den Grafikern von 2xGoldstein gestaltet?
Wir sind bei einem ersten Telefonat auf die Idee gekommen, jeweils die erste Seite meiner Romane zu verwenden – von „Ida“, dem veröffentlichten Buch, und von dem Manuskript, das ich hier im Künstlerhaus zu Ende schreiben möchte. Ein Rückblick, ein Ausblick. Und von dort aus haben 2xGoldstein dann jeweils eine Grafik entwickelt, die wir in weiteren Schritten noch gemeinsam verfeinert haben. In meinen Augen sind zwei Plakate entstanden, die man einerseits nah am Text inhaltlich interpretieren kann, aber mit ihren Grafiken auch gleichzeitig visuell darüber hinausgehen und als Bild funktionieren. Ich habe „meine“ beiden Busstationen auch gleich besucht und mich über das Ergebnis sehr gefreut.
7. Am 2. Februar 2021 darf das Internationale Künstlerhaus das Publikum zu Ihrer Lesung einladen. Was haben Sie für den Abend geplant?
Im Augenblick habe ich das Gefühl, das wird nicht nur eine Lesung, es wird ein Fest, allein, weil wir wieder zusammenkommen dürfen – selbst in einer kleineren Gruppe. Im Augenblick plane ich aus unveröffentlichten Texten zu lesen. Vielleicht wird es eine Erzählung, vielleicht Auszüge aus meinem neuen Roman. Vielleicht auch einfach beides.
Wer sich für die Veranstaltung am 2. Februar 2021 interessiert, bitte eine E-Mail mit Anmeldung an kontakt(at)villa-concordia(dot)de.
Wir freuen uns auf Sie!
Das Gespräch führte Maria Svidryk, Volontärin im Künstlerhaus
Fotos: Maria Svidryk © Villa Concordia