Ort: Bushaltestellen Bamberg Rodelbahn und Ludwigstraße BhfVon August bis Ende Dezember 2020 machen wir Künstler "Sichtbar auch aus der Distanz". Die Plakataktion auf zwei Wänden - am Bahnhof Bamberg und an der Bushaltestelle Rodelbahn an der Buger Spitze - gibt einen Blick auf die als Preisträgerinnen und Preisträger eingeladenen 13 Bildenden Künstler, Komponisten und Autoren frei, die in diesem Corona-bedingt spät eingeläuteten Stipendiumsaufenthalt im Künstlerhaus zu Gast sind. Begleitet vom Grafikbüro 2xGoldstein aus Karlsruhe wurden die Ideen der 13 umgesetzt und gestaltet. Die Wände werden alle 10 Tage "ihr Gesicht" verändern. Manche Entwürfe korrespondieren miteinander, funktionieren wie Rätsel, manche sind identisch. Hoffentlich lädt jede Gestaltung immer wieder zum Hinschauen ein.
Künstlerin Christina von Bitter im Gespräch
1. Noch bis März sind Sie Bewohnerin im Künstlerhaus in Bamberg. Konnte die Stadt Sie für neue Ideen inspirieren?
Ja, Bamberg ist eine sehr schöne und inspirierende Stadt für mich. Ich liebe es, hier zu sein. Ich komme hier in die Ruhe und in die Konzentration. Die Villa Concordia hat mir ein wunderbares Atelier zur Verfügung gestellt, in dem ich neue Wege für meine künstlerische Arbeit finde.
2. Die Pandemie hat die Kunstszene zum größten Teil in einen digitalen Modus versetzt. Zum Glück kann man aktuell die Museen, Galerien wieder besichtigen und sich auf die Wirkung der Kunst im analogen Raum einlassen. Wie stehen Sie zu der Digitalisierung in der bildenden Kunst? Kann man Ihrer Meinung nach durch den digitalen Raum die gleiche Wirkung erzielen?
Nein, gerade und vor allem als Bildhauerin bin ich der Meinung, dass genau Räume und Proportionen sowie auch die Atmosphäre und die Aura, die ein Kunstwerk in einem Raum evoziert, über die digitalen Medien nicht erlebbar gemacht werden können für den Betrachter. Man muss es „erfahren".
3. Zerbrechlichkeit, Sichtbarkeit des Unsichtbaren, Licht- und Luftdurchdringlichkeit gehören ganz eindeutig zu den wichtigen Eigenschaften Ihrer Skulpturen. Was bedeuten diese Begriffe für Sie?
Zerbrechlichkeit: Ja, das ganze Leben ist zerbrechlich - wir alle sind endlich, und alles ist fragil. Gerade in den momentan komplizierten Zeiten merken wir das besonders stark. Es wird nun der ganzen Gesellschaft bewusst, wie verletzlich und verwundbar wir doch alle sind.
4. Sie arbeiten viel mit Papier und Drähten. Würden Sie uns erzählen, wie Sie diese Materialien für sich entdeckt haben?
Mit dem Material Papier und Draht arbeite ich seit 20 Jahren. Entdeckt habe ich das beim Experimentieren in meiner Studienzeit in Berlin an der Hochschule der Künste. Dennoch heißt das nicht, dass ich nicht auch mit anderen Materialien arbeite, wie zum Beispiel mit Gips oder auch mit Bronze.
5. Wie lange arbeiten Sie an einem Werk, von der Idee bis zur Umsetzung?
Also, um es mit Picasso zu sagen: ein ganzes Leben! Jede Arbeit, die entsteht, beruht auf vielen unendlichen Erfahrungen. Das ist unabhängig von der Dauer, wie lange sie gemacht wird.
6. In der Villa Concordia zeigen Sie vom 22. September – 01. November eine Ausstellung mit dem Titel „Geister“, bei welcher man Ihre Papierarbeiten zum ersten Mal im größeren Format sehen kann. Wo erkennt man Geister auf Ihren Bildern?
Ja, das Schöne an Geistern ist ja, dass sie nicht sichtbar sind. Sie sind unsichtbar. Sie befinden sich zwischen den Gegenständen, zwischen uns und vielleicht teilweise auch in uns. In der Kunst ist ja alles doch letztlich geistig, und hinter jeder künstlerischen Arbeit stehen ein geistiger Raum und ein Mensch, der das alles sozusagen durch seinen Filter nach Außen abgibt. Der Titel, den ich für meine Ausstellung in der Villa Concordia gewählt habe, spielt natürlich auch ein bisschen auf die Corona Pandemie an. Wir werden bedroht von einem Virus, das ebenfalls unsichtbar ist. Deswegen jagt es so vielen Menschen Angst ein und wir sind verunsichert. Wir brauchen mehr Vertrauen. Vielleicht durch die Kunst oder die Künste? Dort findet man - bei aller Ambivalenz oder Mehrdeutigkeit - immer auch Geborgenheit.
7. Zwei Bushaltestellen (Bamberg Rodelbahn und Bahnhof Ludwigstraße) präsentieren vom 18. – 29. September Ihre Plakatwände in Bamberg. Auf denen sind Aquarellskizzen zu sehen, die in der Zusammenarbeit mit dem Dichter Michael Krüger in dem Gedichtband „Nach dem Gewitter die Mücken“ erschienen sind. Wie oft lassen Sie sich von Poesie für Ihre Bilder inspirieren?
Lyrik bzw. Poesie ist für mich inspirierend und begleitet mich schon immer. 2017 haben Nora Gomringer und ich, auf meine Anregung hin, ein wunderschönes Buch „Seit wir uns kennen, duftet der abgeblühte Strauch neben dem Haus“ im Verlag Josef Kleinheinrich realisiert, in dem sie mit ihren Texten auf meine Bilder reagiert hat. Das war ein Glücksfall. Nun ist diesem Projekt ein zweites mit Michael Krüger „Nach dem Gewitter die Mücken“ im Hirmer Verlag gefolgt. Auch diese Zusammenarbeit hat mir sehr viel Freude bereitet. Es ist ein Austausch und ein „sich einlassen auf eine andere Welt“.
Das Gespräch führte Maria Svidryk, Volontärin im Künstlerhaus
Fotos: Maria Svidryk © Villa Concordia