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Am Sa, 08.08.2020
Ab 08:00
2 Bushaltestellen Bambergs
Bild zu Art Bus Stop (08. - 17.08.2020). Copyright: Maria Svidryk © Villa Concordia

Art Bus Stop (08. - 17.08.2020)

THOMAS LANG "Sichtbar auch aus der Distanz"

Ort: Bushaltestellen Bamberg Rodelbahn und Ludwigstraße BhfVon August bis Ende Dezember 2020 machen wir Künstler "Sichtbar auch aus der Distanz". Die Plakataktion auf zwei Wänden - am Bhf Bamberg und an der Bushaltestelle Rodelbahn an der Buger Spitze - gibt einen Blick auf die als Preisträgerinnen und Preisträger eingeladenen 13 Bildenden Künstler, Komponisten und Autoren frei, die in diesem Corona-bedingt spät eingeläuteten Stipendiumsaufenthalt im Künstlerhaus zu Gast sind. Begleitet vom Grafikbüro 2xGoldstein aus Karlsruhe wurden die Ideen der 13 umgesetzt und gestaltet. Die Wände werden alle 10 Tage "ihr Gesicht" verändern. Manche Entwürfe korrespondieren miteinander, funktionieren wie Rätsel, manche sind identisch. Hoffentlich lädt jede Gestaltung immer wieder zum Hinschauen ein.

Thomas Lang im Gespräch

1. Die Ankunft in der Villa Concordia wurde von April auf Ende Juni verschoben, Sie sind jetzt einige Wochen in Bamberg, welchen Eindruck hat die Stadt auf Sie gemacht? Mir gefällt Bamberg von Tag zu Tag immer besser. Die Stadt hat sehr komfortable Ausmaße und lässt sich zu Fuß und mit dem Rad leicht erkunden. Die alte Architektur, die Dächelchen und Giebelchen und Erkerchen und Eckchen, der ganze Bauschmuck wirken auf das Auge sehr erholsam. So viel ich höre, ist die Stadt nicht so voll von Touristen wie in anderen Jahren, aber ums alte Rathaus herum finde ich es manchmal grenzwertig. Die Bamberger sind entgegenkommend. Deshalb finde ich es schade, dass mein Aufenthalt durch die Pandemie so stark verkürzt wird.

2. Welche Ecken haben Sie für sich entdeckt?

Ich mag die kleinen, leeren Plätze abseits, die große Ruhe ausstrahlen, alle Stellen auf den Hügeln, die einen Ausblick über die Stadt bieten, den Luisenhain, aber auch die Umgebung, in der ich schon geradelt und gewandert bin.

3. Im April haben Sie auf Ihrer Website den Brief „Zwei Meter Abstand“ mit Ihren Empfindungen zu der Corona-Krise veröffentlicht: thomaslang.net. „Noch leicht schockiert“, wie Sie sich selbst bezeichnen, beschreiben Sie darin, wie die Begegnungen und das eigene Zuhause auf einmal frustrierend erscheinen. Wie ist es Ihnen seither ergangen? Konnten Sie in dieser Zeit schreiben?

Wir haben uns inzwischen ja kollektiv entspannt, reisen wieder mehr, treffen mehr Leute, wenn auch - in meinem Fall - zumeist im Freien und tatsächlich auf Abstand. Aber eine Grundanspannung ist schon da - wer hält und erwartet wie viel Distanz, werden die so genannten Fallzahlen erneut stark steigen, sitzen wir bald wieder daheim und dürfen nicht raus? Und was wird aus der Kultur? Für ein neues Romanprojekt fehlt mir in dieser Lage die Ruhe. So schreibe ich für das Literaturportal Bayern eine Reihe kleiner Reportagen über den kurzen Sommer der Pandemie in Bamberg.

4. Welche Rolle spielen Aufenthaltsstipendien für Sie, regen sie Sie zu neuen Ideen an oder gelten sie eher als eine Flucht zum Arbeiten an bereits bestehenden Projekten?

Das kommt natürlich auf die Arbeitsphase an, in der ich mich gerade befinde. Manchmal, aber nicht hier und heuer, war ich schon mit Überarbeitung und Fahnenkorrekturen beschäftigt. Was nicht heißt, dass es keinen Raum für neue Ideen gibt. Ideen habe ich andauernd, die meisten vergesse ich glücklich nach einer Minute. Wichtig ist, dass durch die andere Umgebung, den Abstand vom Alltag und auch – für mich immer bedeutend – die Begegnung mit anderen Künstlern ein besonderer Raum entsteht, eine positive Leere,  in der kreative Funken aufblitzen. Das muss nicht zwingend gleich zum nächsten Projekt führen. Aber ohne diese Funken geht für mich beim Schreiben nichts.   

5. Haben Sie für Ihren Bamberg Aufenthalt etwas Spezielles geplant?

Mit dem bildenden Künstler Thomas Thiede zusammen entwickle ich ein Melville-Projekt. Im Herbst werden wir eine Ausstellung in München machen. Das ist sehr spannend, wenn Sie etwa an Moby-Dick denken – dieser mächtige Wal, der am Ende mitsamt seinem Jäger untergeht, während der weiße Erzähler Ismael überlebt, weil er sich an den Sarg seines Südsee-Freundes Queequeg klammert. Die Parallelen zu dem, was heute in Amerika los(t) ist, aber auch bei uns, sind geradezu schlagend. Also das bereite ich ebenfalls vor.

6. In Kooperation mit Villa Concordia und Grafikern von 2xGoldstein wurde eine Plakatwand an der Bushaltestelle Bamberg Rodelbahn und am Bahnhof entworfen, die sich die Bamberger Flaneuer*innen und Buspassagiere 10 Tage lang ansehen können. Der Bonsai Mammutbaum und Ihr Schriftsteller-Sein, wie hängt es zusammen?

Ich will jetzt nicht zu allegorisch werden. Sagen wir: als Einzelwesen sind Autoren ja wie alle Menschen klein. Was können wir schon erreichen? Die Literatur dagegen ist groß und leuchtet manchmal über Jahrtausende. Ich behaupte jetzt nicht, dass ich daran dachte, als ich diese Zeilen schrieb. Eigentlich ist mein Wunsch, dass ein paar Menschen über diesen Zeilen stutzig werden, dass sie beim Warten auf den Bus denken: hä? Mammutbaum, ist das nicht der größte Baum, den es gibt? und Bonsai irgendwie was Kleines? Wie kommt das jetzt zusammen? Die tolle Gestaltung, die farblich und typografisch etwas wagt, hilft dabei sicher.

7. Bereits im September verlassen Sie das Künstlerhaus, kommen aber im Oktober für eine Lesung mit Musik wieder. Bei der Lesung am 21. Oktober werden wir Musik von Peter Fulda hören, der speziell für Sie komponiert. Können Sie uns mehr über diese Kooperation erzählen?

Peter Fulda kenne ich bereits seit 2003. Er ist für mich ein ganz großartiger, eigenwilliger Komponist, dessen vom Jazz kommende Musik ich bewundere. Peter Fulda hat schon einmal Musik zu einem meiner Bücher komponiert. Es war sehr inspirierend und besonders, mit ihm zusammen aufzutreten. Ich weiß, dass er meinen neuen Roman „Freinacht“ schätzt, und bin sicher, dass wir wieder eine großartige Kooperation haben werden – Peter am Flügel, ich am Stimmband sozusagen. Ich kann versprechen, dass das mehr als stimmungsvoll wird, da werden auch Musikkenner (und, wie ich hoffe, ebenso Literaturkenner) auf ihre Kosten kommen.

Wer sich für die Veranstaltung am 21.Oktober 2020  interessiert, bitte eine E-Mail mit Anmeldung an kontakt(at)villa-concordia.de. Wir freuen uns auf Sie!

Das Gespräch führte Maria Svidryk, Volontärin im Künstlerhaus

Fotos: Maria Svidryk © Villa Concordia

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